Beschreibung für die Einsatzstelle VAMOS JUNTOS der Entsendeorganisation VAMOS JUNTOS Freundeskreis Deutschland - Bolivien e.V. vom August 20201
Meine Hauptaufgabe war die soziale Straßenarbeit. Das bedeutet, dass wir als Freiwillige täglich auf die Straße gegangen sind, um mit den Schuhputzer*innen zu reden. Dabei waren wir eine Art Brücke zwischen der Straße und dem Büro, in dem die Sozialarbeiterinnen unserer Organisation gearbeitet haben. So haben wir dem Büro von den Problemen und Bedürfnissen der Schuhputzer*innen berichtet, gleichzeitig haben wir die Schuhputzer*innen über die verschiedenen Angebote des Büros informiert (z.B. gemeinsame Aktivitäten oder mögliche finanzielle Unterstützung).
Diese Aktivitäten zu besonderen Anlässen (z.B. eine Wanderung mit den Frauen am Tag der Frau) haben wir zusammen mit dem Team organisiert. Aber auch in die Planung und Organisation der regelmäßigen Projekte waren wir fest mit eingebunden. So hatten wir wöchentliche Treffen u.a. mit einer Frauengruppe, einer Seniorengruppe und einer Gruppe für Menschen mit Alkoholproblemen. Zudem hatten wir zwei Antidiskriminierungsprojekte, da die Berufsgruppe der Schuhputzer*innen unter gesellschaftlicher Stigmatisierung leidet. Bei all diesen Projekten waren neue und kreative Ideen von uns Freiwilligen sehr erwünscht und auch Kritik wurde dankbar aufgenommen.
Als Teil der sozialen Arbeit haben wir die Sozialarbeiterinnen außerdem zu Hausbesuchen und Krankenhausbesuchen der Schuhputzer*innen begleitet.
Ein wirklich typischer Arbeitstag bestand also darin, dass wir morgens und nachmittags auf die Straße zu den Schuhputzer*innen gegangen sind. Da unsere Arbeit aber so vielfältig war, gab es selten diese ganz "normalen" Tage, viel eher stand zusätzlich noch ein Projekt, ein Hausbesuch, die Vorbereitung einer Aktivität etc. auf dem Tagesplan.
Ich wurde bei all meinen Tätigkeiten sehr tatkräftig unterstützt. Das Konzept von Vamos Juntos basiert sehr auf Teamarbeit, sodass ich mit meinen Aufgaben nie alleine war. Bei Fragen, Ideen, Zweifeln, Kritik, Wünschen etc. konnte ich mich immer an jede im bolivianischen Team wenden. Da jede von ihnen klare Zuständigkeitsbereiche hat, hat sich auch immer jemand für mein Anliegen verantwortlich gefühlt. Aber auch davon abgesehen gab es immer die Möglichkeit für ein offenes Gespräch, auch wenn es sich mal um ein persönliches Problem gehandelt hat.
Der Kontakt zu Vamos Juntos in Deutschland war sehr eng, sodass auch immer die Möglichkeit bestand, bei Problemen jemanden in Deutschland, wie z.B. die ehemaligen Freiwilligen zu fragen.
Mit den drei anderen Freiwilligen von Vamos Juntos haben wir zu viert in einer WG gewohnt. So haben wir sehr selbstständig und eigenverantwortlich gelebt, sodass wir auch unserer Freizeit individuell gestalten konnten. Wir waren die erste Generation in einer neuen Wohnung, die wirklich sehr groß und auch super zentral gelegen ist. Es gibt zwei 2er-Zimmer, sodass ich mit einer meiner Mitfreiwilligen in einem Zimmer geschlafen habe. Da wir uns super verstanden haben, war das perfekt. Allgemein habe ich mich in der Wohnung sehr wohlgefühlt.
In meinem Freiwilligendienst habe ich ziemlich viel gelernt und mich auch persönlich weiterentwickelt.
Zum einen habe ich gelernt, wirklich Verantwortung zu übernehmen. Mir wurden sehr wichtige Aufgaben übertragen und das Team hat sich auf mich verlassen. Natürlich war das manchmal einschüchternd, gleichzeitig war es aber auch ein sehr schönes Gefühl zu wissen, dass ich mit meinen Taten gerade jemanden unterstützen kann.
In der Zeit in La Paz wurde ich deutlich selbstständiger, einfach weil ich meinen Alltag und alle Hindernisse damit selbst organisieren musste und das auch noch auf einer anderen Sprache.
Natürlich habe ich auch Spanisch gelernt und konnte mich nach einigen Monaten so gut wie flüssig unterhalten. Noch nicht perfekt und immer noch mit einigen Fehlern, aber die Hauptsache war, dass andere mich verstanden haben und ich meine Gedanken ausdrücken konnte. Es sind auch alle immer sehr geduldig und verständnisvoll mit meinen Sprachkenntnissen umgegangen.
Kulturell habe ich jede Menge über Bolivien, aber auch das indigene Volk Aymara gelernt. Das fand ich immer super spannend und hat meinen Horizont in vielerlei Hinsicht unglaublich erweitert. Auf viele Dinge in Deutschland und der Welt blicke ich jetzt ganz anders.
Durch unsere tägliche Arbeit mit so vielen Menschen habe ich aber vor allem gelernt, jedes Bedürfnis wirklich ernst zu nehmen und jeden Menschen wertzuschätzen. Alle Menschen sind gleich viel wert und haben das gleiche Recht auf Liebe, Gesundheit, Nahrung, Bildung, Arbeit und einfach ein glückliches Leben, was auch immer das für sie bedeutet und sie dazu brauchen und ganz unabhängig von ihrer Situation oder ihren bisherigen Leistungen.
Für einen Freiwilligendienst ist Vamos Juntos perfekt geeignet.
Die Aufgaben der Freiwilligen sind sehr vielfältig, herausfordernd aber auch gut zu meistern. Wegen unserer klaren Aufgaben und Verantwortungen waren wir ein gleichberechtigtes Mitglied im Team und wurden in alle Entscheidungen eingebunden.
Die Straßenarbeit bietet die Möglichkeit, mit den Schuhputzer*innen viele individuelle Menschen kennenzulernen, mit ihnen über Gott und die Welt zu quatschen und in ihnen Freund*innen am anderen Ende der Welt zu gewinnen. Durch ihre Erfahrungen und Erzählungen taucht man auch sehr schnell in das bolivianische Leben ein und lernt das Land so auf eine ganz andere und sehr intensive Art und Weise kennen.
Das bolivianische Team hat uns wie eine Familie aufgenommen, sodass ich mich nie alleine gefühlt habe. Durch ihre jahrelange Erfahrung mit deutschen Freiwilligen wissen sie auch, welche Schwierigkeiten für die Freiwilligen auftreten können und stehen ihnen bei allem zur Seite.
Das Leben in der WG macht super viel Spaß und bietet viele Freiheiten. Natürlich kann es mal zu Konflikten kommen, aber auch das gehört dazu und letztendlich lernt man daraus. Auch ohne das Zusammenleben mit Bolivianer*innen wie z.B. in einer Gastfamilie haben wir das bolivianische Leben und die Kultur sehr gut kennengelernt, weil das Team uns in verschiedenen Aktivitäten mit den bolivianischen Traditionen vertraut gemacht hat.
Ein Freiwilligendienst bei Vamos Juntos ist vermutlich intensiver und herausfordernder als einer in vielen anderen Organisationen, die mit anderen Zielgruppen (z.B. Kindern) arbeiten, aber genau das fand ich so spannend.
1Datum der Bewertung, nicht des Einsatzes!